Revolution, Revolution ... 1848

Viele deutsche Orte verbinden mit den Ereignissen der 48er Revolution des 19. Jahrhunderts enge Bezüge - und dies gilt auch für Trittenheim. Die Revolutionswelle hatte im Februar 1848 ihren Ausgang in Frankreich genommen, als Demonstrationen für die Einführung eines allgemeinen Wahlrechts regierungsseitig verboten worden waren. Im März schon erfasste die Revolution Deutschland, näherhin auch das Königreich Preußen, dem das Rheinland seit 1815 angehörte. In Berlin kam es nach einer friedlichen Demonstration vor dem Schloss des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. am 18. März zu einem Volksaufstand, der sich in Barrikadenkämpfen ausweitete und mit über 200 Toten endete. Der König gab zunächst nach und die ersten eingeleiteten Schritte machten glauben, Preußen werde sich zu einem liberalen Verfassungsstaat umgestalten. Die Beisetzung der Märzgefallenen am 22. März 1848 fand ein breites Echo in Gedenkgottesdiensten im ganzen Land. In Frankfurt sollte am 31. März das sogenannte Vorparlament aus politischen Vertretern der deutschen Ländern zur Vorbereitung der Konstituierung der Nationalversammlung zusammentreten. Doch nicht nur im fernen Berlin war im März eine gereizte Stimmung entstanden, sondern auch in der Bezirkshauptstadt Trier wurden Forderungen etwa nach Presse- und Versammlungsfreiheit laut. Bei den Trierer Unruhen des März '48 trug man die deutsche Trikolore (die Farben schwarz-rot- gold) als neue Nationalfarben und Ausdruck einer neu heraufbrechenden Zeit. Und nicht nur die städtische Bevölkerung war vom Revolutionsfieber ergriffen, sondern auch das Land. In Trittenheim kam es am 30. März 1848 zu einer politischen Aktion, die die Trier'sche Zeitung vom 2. April 1848 zu einem Bericht veranlaßte. Es heißt dort:

“Der gestrige Tag [=30.03.1848] war für die Gemeinde Trittenheim an der Mosel ein großer Freudentag, an welchem die Gemeinde ihre Sympathie für die in Erwartung stehende allgemeine Reorganisation unserer Staatsverfassung dadurch an den Tag zu legen suchte, daß auch sie, durch die vielen Mißherbste und die auf der Mosel schwer lastende Weinsteuer hart gedrückt, von dieser mißliebigen Steuer Befreiung hoffend, unter dem Donner der Böller und Geläute der Glocken, eine große schwarz- roth-goldene Fahne auf ihren Kirchthurm aufpflanzte; bei welcher Gelegenheit der dortige allgemein geliebte Geistliche eine Rede an die aus der ganzen Gemeinde und den benachbarten Orten versammelten Einwohner hielt, worin er die Feier des Tages als eine des deutschen Volkes würdige erhob, und zugleich zur Ruhe und gesetzlichen Ordnung ermahnte. Dieser Rede folgte eine zweite des Bürgermeisters in ähnlichem Sinne, welcher von einer Deputation der Gemeinde eingeladen und abgeholt, von der mit der Fahne bei der Laurentius-Capelle harrenden großen Versammlung zur Begehung der Feier begleitet, dem wohlgeordneten Umzuge in der Gemeinde beiwohnte.”

Der erwähnte Geistliche war niemand anders als der Ortspfarrer Nikolaus Liehl (1801- 1870), gebürtig aus Bernkastel, der seit 1834 bis zu seinem Tod Pfarrer an der Clemenskirche war. Die Abholung des Bürgermeisters an der Laurentiuskapelle ist damit zu erklären, daß der Bürgermeister namens Pleins sowohl für Trittenheim als auch Leiwen

zuständig war und in Leiwen wohnte. Er mußte also mit einem Nachen die Mosel überqueren und anschließend über einen Pfad durch den Laurentiusberg hinauf zur Kapelle steigen, um auf dem kürzesten Weg nach Trittenheim zu gelangen. Der Zeitungsartikel läßt durchscheinen, daß es bei der Begeisterung für den Umbruch nicht nur um abstrakte Ideale, sondern um sehr konkrete Hoffnungen ging. Denn die Errichtung von Zollvereinen seit 1828 hatte den Moselweinbau in die ungünstigste Absatzlage gegenüber den süddeutschen Weingebieten gebracht. Im Verlaufe von 20 Jahren hatte sich eine tiefgreifende Krise entwickelt, in der die als Produktionssteuer geltende Weinsteuer, die unmittelbar nach dem Herbst und aufgrund von teils sehr verfehlten Einschätzungsdaten erhoben wurde, im Zusammenhang mit einer Reihe von Mißernten in den 30er und 40er Jahren dazu beitrug, die Bevölkerung der Mosel in Verschuldung und Verarmung und auch an den Rand einer Hungerkrise zu treiben (vgl. dazu den Brief des Trittenheimer Pfr. Keppeln von 1831, abgedruckt in der Festschrift 60 Jahre Trittenheimer Winzerfest, 1996). So betrug die Weinsteuer etwa für kleinere Winzer rund 10 Prozent der Unkosten, bevor er überhaupt Einnahmen hatte. Weitere Steuern wie Grundsteuer, Klassensteuer, kommunale Steuern taten das Ihre - und dies bei einem Preisverfall zwischen 50 und 70 Prozent! Viele Menschen der Mosel sahen keinen anderen Ausweg aus dieser Misere als die Auswanderung nach Übersee.

Das freudige Revolutionsereignis stand zugleich unter einer erheblichen Spannung, denn der Berichterstatter fährt fort:

"Der Tag der Freude sollte aber nicht ohne große Besorgniß vorübergehen, da ein während des Nachmittags vorüberfahrender Schiffer sich das unerlaubte Vergnügen machte, hier, so wie an mehren Orten der Mosel durch Zurufen das Gerücht zu verbreiten, in Trier sei durch das mit dem Dampfboot angekommene Militär, im Verein mit anderen ein großes Blutbad angerichtet worden. - Welche Stimmung diese Nachricht hervorbrachte, geht daraus hervor, daß sogleich alle Waffenfähige sich um die Fahne schaarend, ihren bedrängten Mitbürgern zur Hülfe eilen wollten, als mittlerweile ein von Trier kommender Fischer die Unwahrheit dieser schändlichen Erdichtung betheuerte. Nun erst wurde die Fahne aufgepflanzt und die Feier des Tages unter Jubel und Brüderlichkeit beendigt."

Tatsächlich war das Militär durch den Staat in erhöhte Bereitschaft versetzt und es kam immer wieder an den Standorten zu kleineren Auseinandersetzungen. Was befürchtet worden war, trat auch ein: die erhoffte "Reorganisation unserer Staatsverfassung" verzögerte sich mehr und mehr und die monarchistischen Kräfte gewannen Zeit, neue Kraft zu schöpfen. Dennoch gab man nicht schnell auf.

Im Frühsommer 1848 kam es noch vor der Steuerverweigerungskampagne des Novembers in Trittenheim zur allgemeinen Verweigerung der Steuerzahlung. Trittenheim bildete mit den Bürgermeistereien Leiwen, Beuren und Heidenburg einen Hebebezirk und der Steuereinnehmer - in den Jahren 1848/49 war dies anfangs Bettingen, später Marion - hatte seinen Sitz in Trittenheim. Zunächst gab es keine Repressionen, aber Anfang Juli wurden für mehr als einen Monat Soldaten gegen Verpflegungsentgeld einquartiert. Die Zuspitzung der Situation ergab sich erst im Herbst/Winter 1848. Die Unzufriedenheit der Moselbevölkerung entlud sich in einer der größten politischen Massenkundgebungen der Rheinprovinz auf dem Paulsberg zwischen Lieser und Wehlen. Massiv wurde hier die

Verbesserung der sozialen Lage und die Abschaffung der Wein-/Moststeuer eingefordert. Unter den Tausenden von Teilnehmern waren auch die Vertreter des Trittenheimer Demokratenvereins zugegen, die u.a. der Rede des Journalisten, des Gründungsvaters des Demokratischen Vereins und Parlamentariers Karl Grün (1817-1887) folgten. Doch damit nicht genug.

Am 9. November 1848 löste der König in Berlin die Nationalversammlung in einer Art Staatsstreich auf. Die Reaktion der Aktiven war, zum passiven Widerstand aufzurufen und zwar in Gestalt einer allgemeinen Steuerverweigerung (15.11.1848). Die Reaktion hierauf war Bestürzung und Wut. Es wurden Bürgerausschüsse gebildet, die Petitionen verfassten, Abordnungen an Regierungsstellen entsandten und Volksversammlungen abhielten. Die Regierung reagierte mit einer Mobilisierung von Truppen und stellte Untersuchungen an. - Die alljährliche Clemens-Kirmes wurde am Sonntag, den 26. November 1848 gefeiert. Das kirchliche Fest nahm zunächst seinem normalen Lauf, aber der demokratische Verein nutzte diesen festlichen Tag dazu, auf dem Spieles Wein auszuschenken und Reden gehalten. Die allgemein turbulente Stimmung schlug schließlich aber um in einen sozialen Protest gegen die Repräsentanten der Obrigkeit: von Erwachsenen begleitete Kinder zogen vor das Haus des Steuereinnehmers und taten ihm kund, mit dem Steuernzahlen habe es nun sein Ende und er könne die Zelte abbrechen. Dann aber wendete sich der Zug auch dem Schulhaus zu, wo der Lehrer Baptist Schanen (von 1839 bis 1882 in Trittenheim) wohnte. Unter Lärmen wollte man auch ihm klar machen, was man von der Schule als Institution des Staates hielt. Der Versuch des Pfarrers, der die Situation vom benachbarten Pfarrhaus aus mitverfolgen konnte, die Demonstrierenden zu mäßigen schlug nicht nur fehl, sondern die Menge wandte sich nun auch gegen ihn. Hatte man seine Rede bei der Fahnenfeier im Frühjahr noch mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen, so erntete er jetzt Steinwürfe und den Ruf der Menge “Republik, Republik, uesen Pastoor aß vareckt“.

Am gleichen Tag trug es sich in Bernkastel zu, daß eine Staatskommission in Bernkastel eine Untersuchung gegen Peter Josef Coblenz (1811-1856) einleitete und ihn aus diesem Grund festnehmen wollte. Coblenz war einer der führenden Personen an der Mittelmosel in Sachen revolutionäre Volksbewegung. Als ausgebildeter Jurist, Zeitungsredakteur und Gründer des Bernkasteler Demokratischen Vereins hatte er auch auf dem Paulsberg gesprochen. Da über seine Verhaftung schon geraume Zeit gemunkelt wurde, war er vorbereitet und hatte für diesen Fall vorgesorgt. Als an jenem Sonntagmorgen die Untersuchungsbeamten erschienen, verhinderte eine Volksmenge seine Inhaftierung und brachte es sogar fertig, daß sich die anwesenden Soldaten zurückziehen mussten. Zugleich zogen aus allen Orten der Umgebung Bewaffnete nach Bernkastel. Die Alarmierung traf auch in Trittenheim auf offene Ohren und so machten sich von hier tags darauf eine Gruppe auf nach Bernkastel; sie erreichten jedoch nur Kesten, wo sie davon Kenntnis nahmen, dass alles ruhig sei und sie zurückkehren könnten. Die militärischen Kräfte waren in der Zwischenzeit in Bernkastel und Umgebung so verstärkt worden, dass sich die Demokraten schließlich doch zu ergeben genötigt sahen. Die Folge war, dass gegen all jene ermittelt wurde, die sich bereit gefunden hatten, bei dieser bewaffneten Aktion mit zu machen. Die eingesetzte Kommission ermittelte auch in Trittenheim (zwischen dem 19. und 23. Dezember). Eine Begleiterscheinung war, dass der Ort während des Monats Dezember mit einer größeren Zahl von Soldaten belegt. Von

insgesamt 63 Angeklagten kamen 8 aus Trittenheim: der Weinhändler Johann Maringer, der Wirt Matthias Maringer, die Winzer Johann Thaddäus Lorenz und Johann Josef Schmitt, sodann der Bäcker Bernhard Clüsserath, der Nachtwächter Josef Herres, der Tagelöhner Jakob Henzerath und schließlich auch der aus Trier zugezogene Schlosser Josef Heckel.

Johann Maringer floh nach Sierck in Frankreich. In Trier inhaftiert wurden, wovon schließlich auch das im Städtischen Museum in Trier ausgestellte Bild des Malers Velten zeugt, Lorenz, Clüsserath, Heckel und Matthias Maringer. Der Künstler beschrieb das Bild selbst in einem Artikel im Beiblatt der Trier'schen Zeitung des Jahres 1849 und charakterisiert darin Josef Heckel, dessen Namen und Physiognomie ja tatsächlich dem des badischen Freiheitskämpfers Friedrich Hecker ähnelte, als “eine ächte Landsturmfigur mit dem grauen Heckerhute und der rothen Feder darauf“. Überhaupt tragen die Abgebildeten alle die Revolutionsmode, den Bart.

Die Pfarrchronik des Jahres 1849 weiß zu dieser Epoche zu berichten:

„Am 22. Mai sind die aus Veranlassung des in Bernkastel stattgefundenen Tumultes von hier inhaftierten Bürgern Joh. Thadd. Lorenz, Bernard Clüsserath, Josef Heckel, Matthias Maringer und der nach Sierck in Frankreich geflüchtete Johann Maringer von dem königlichen Apellhofe in Coeln freigesprochen worden und am 24. hierher zurückgekehrt.“

Zu diesem Zeitpunkt war klar, daß die Revolution in Preußen bsi auf weiteres gescheitert war.

Christoph Schmitt

Auswanderung

Die Heimat verlassen und in ein neues, fernes, glückverheißendes Land ziehen? Das bewegte eine ganze Zahl von Trittenheimern im 19. Jahrhundert.

Die Pfarrchronik hält immer wieder das Wegziehen fest:

1850: "Im Monat Mai dieses Jahres ist die Ehefrau des im Jahre 1846 nach Algier ausgewanderten und daselbst verstorbenen Josef Radermacher mit Namen Margarethe Eifel von dort mit vier Kindern hierher zurückgekehrt." - Bei den Auswanderern nach 'Algier' handelte es sich um Persone, die nach Nordafrika gingen. Algerien war 1830 durch Frankreich besetzt worden und später zur Kolonie erklärt worden. Durch französische Immigranten sollte die Präsenz gestärkt werden, allerdings fanden sich zuwenige Franzosen dazu bereit. So wanderten Auswanderungsagenten in den 1840er Jahren auch durch die Nachbarstaaten. Sie warben für die Algerienauswanderung und malten den verarmten Familien eine glückliche Zukunft vor. So verkauften Familien ihren Besitz, um mit dem wenigen Hab und Gut eine neue Heimat zu finden. - Frankreich hatte die Küstenstraße zwischen Mostaganem und Oran ausbauen lassen und schützte die strategisch bedeutsame Verbindung durch Anlage von befestigten Dörfern. Diese sollten von preußischen Auswanderern besiedelt werden. Eines dieser preußischen Dörfer war St. Leonie, etwa auf der halben Strecke zwischen Oran und Mostaganem. Unterstützt von französischen Soldaten entstanden Häuser, eine Schule, Kapelle, Waschplatz und Straßen wie Wasserleitung. Gärten und Obstbaumplantagem wurden angelegt. 1851 lebte in St. Leonie 168 preußische Auswanderer und 26 französische Bewohner. Haupterwerb war die Landwirtschaft.

In St. Leonie lebte auch eine weitere Familie aus Trittenheim: der "Culivateur-Cordonnier", also der Bauer und Schuhmacher Peter Weber lebte mit seiner Familie "Merguerite Kokler" (Margarethe Kockler aus Hirzley) und den Kindern Jakob, Wilhelm und Margarethe in der N°27 Grande Rue.

1851: "Den zweiten Juni dieses Jahres ist Johann Joseph Hermes, Schumacher, Sohn des verstorbenen Jakob Hermes und Thekla Schmitt von hier nach Nord-Amerika ausgewandert."

1852: "Am 1. Mai dieses Jahres sind Josef und Jakob Arens, Söhne von Matthias Arens dahier nach Nordamerika ausgewandert. Desgleichen ist am 12. April dahier ausgewandert der Bäckergesell Hermann Josef Kirsten Sohn des Matthias Josef Kirsten dahier."

1853: "Am 26. April dieses Jahres ist dahier durch den Missionar Herrn Pater Stanislaus ab Assumptione B. M. V. sacerdos Passionis D. N. J. Chr. zu Birmingham in Nordamerika die Nachricht von dem Ableben des am 2. Juni 1851 ausgewanderten Johann Josef Hermes eingetroffen."

1854: "Im Mai dieses Jahres ist Nikolaus Nummer ledigen Standes, Schneider von Profession, Sohn von dem verstorbenen Peter Josef Nummer von hier nach Amerika ausgewandert."

1855: "In diesem Jahre ist der nach Amerika ausgewanderte Schneider Nic. Nummer wieder zurückgekehrt."

Auch 1881 schildert das "Luxemburger Wort" im Mai eine Situation von Auswanderungswilligen:
"Trier. 19. Mai. In verschiedenen Gastwirthschaften der Römerstraße hatten sich gestern Bauersleute aus Ensch, Trittenheim, Thalfang und Umgegend einquartirt, um mit mit dem ersten Zuge auf Hamburg zu und von dort nach Amerika zu wandern. Es waren ungefähr 50 Personen, worunter nicht weniger als 22 unerwachsene Kinder sich befanden. Die Leute waren alle guten Muthes und sahen einer frohen Zukunft entgegen. Ob Alle sich derselben erfreuen werden? Hohe Steuern, Mißwachs etc. treiben die Leute, wie sie sagten, von hier fort. Das Ziel der Mehrzahl der Auswanderer ist Wisconsin. (Tr. L.)"

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