Bilder aus dem Trittenheimer Pfarrleben im 19. Jahrhundert

Von Dr. Martin Persch (*1948 +2013, Leiter Bistumsarchiv Trier von 1987 bis 2013).

Am Morgen des 5. Juli 1804 stand der fündundsechzigjährige Pfarrer Johann Josef Brauns inmitten seiner Kirchenschöffen, umgeben von den Ministranten, Erstkommunionkindern und zahlreichen Dorfbewohnern nervös vor dem Ortseingang von Trittenheim. Man erwartete den Trierer Bischof Charles Mannay (1802-1816, Abb. 1) zur Visitation der Pfarrei und zur Spendung der Firmung. Besondere Gründe für diese Nervosität bestanden eigentlich nicht, denn Brauns Fähigkeiten waren in aller Öffentlichkeit als „größte“ beurteilt worden und als besonderes Verdienst wurde ihm die „eifrigbeste Seelsorge“ attestiert - so nachzulesen in der weitverbreiteten „Aufnahme der Pfarreien, der unversorgten Priester und der mit einfacher Pfründe versehenen Geistlichen im Obererzstift Trier, 1788“ des Pastors von Landkern, Johann Josef Birk.

Auch war Pfarrer Brauns nicht unbekannt, wie eine Visitation vonstatten ging. Schließlich hatte er eine solche schon mitgemacht, und zwar am 29. August 1773, als er 34 Jahre als gewesen war und nach zehnjähriger Kaplanstätigkeit im benachbarten Neumagen kaum einige Monate als Pfarrer von Trittenheim amtiert hatte. Aber damals hatte diese Visitation kein Bischof vorgenommen. Gemeinsam mit dem hochbetagten gütigen Dechanten von Klüsserath, Peter Feilen, und dem ebenfalls schon recht ergrauten Definitor Peter Haspon von Niederemmel war man die fünfunddreißig Fragen des Visitationsformulars durchgegangen; die Mitbrüder (beide nun längst in der Ewigkeit) hatten den Sendschöffen dann acht Fragen über seine, Brauns, Wirksamkeit in Trittenheim vorgelegt, schließlich hatte man die Antworten an die Bischöfliche Behörde in Trier gesandt - und nie mehr etwas vernommen. Auch eine Visitation unter dem Kommissariat des Bernkasteler Pfarrers und Generalvikariatsassessors Johann Georg Reitz im Jahre 1786 war schiedlich-friedlich verlaufen.

Da war eine Bischöfliche Visitation nun doch etwas anderes! Denn wenn der „Chef“ persönlich kommt - und dazu noch einer, den man kaum kannte, war er doch noch keine zwei Jahre als Trierer Bischof im Amt -, haftet der Sache sofort der leichte Hautgout von Inquisition an. Denn den noch kaum deutsch sprechenden Bischof Mannay begleitete zumeist der aus Pfalzel stammende zweite Generalvikar Anton Cordel, als Mann von großer Erfahrung gerühmt, dessen unbestechlichen Augen dem Vernehmen nach nichts entgehen sollte. Aber auch der Sekretär des Bischofs, Simon Garnier, der ebenfalls aus Frankreich stammte und Cordel gelegentlich vertrat, war als scharfäugig, wenngleich verbindlich und vornehm in seinen Umgangsformen bekannt.

Beunruhigend war auch, daß Bischof Mannay die Visitationen ganz anders anging, als man es früher gewohnt gewesen war. Die Fragen nach dem Patronatsrecht und dem Zehnten waren natürlich weggefallen; nun waren Fragen zu beantworten, die früher nicht gestellt worden waren, so etwa über Prozessionen und Stolgebühren. Aber auch die öffentliche Kinderkatechese des Pfarrers vor dem Bischof und der Pfarrgemeinde bei der Firmung war neu und beunruhigend; ja, anläßlich der Visitationsreisen des Bischofs im vergangenen Jahr war von einer Katechese bei der Firmung gar keine Rede gewesen. Da konnte man sich vor den Augen des bischöflichen Vorgesetzten ganz schön blamieren, wie es noch drei Tage zuvor dem Amtskollegen Karl Linz in Eberhardsklausen ergangen war, dem, immerhin ehemaliger Propst der Augustiner-Chorherren in Klausen, seitens des bischöflichen Sekretärs attestiert worden war: „Die Katechese fand öffentlich in der Kirche statt. Die Kinder schienen nicht besonders unterrichtet, die wesentlichsten, zudem leichten Fragen konnten sie nicht genügend beantworten.“ Das waren peinliche Ergebnisse der Seelsorgsarbeit, die sich zudem rasch herumsprachen.

Als die Kutsche des Bischofs schließlich Trittenheim erreichte, bestätigte sich wenigstens eine Sorge des Pfarrers nicht. Neben dem Bischof kletterte nämlich nicht nur der gefürchtete zweite Generalvikar Cordel (Abb. 2) aus dem Gefährt, vielmehr entstieg ihm auch der liebenswürdige Simon Garnier. Die üblichen Zeremonien, wie Kuß des Kreuzes, Empfangsansprache vor dem Triumphbogen, Geleit zur Kirche fanden statt; und in der Kirche kamen auch die zu vermuteten Ängste beim Ortspfarrer nicht zu tragen: die zwei Tage zuvor in Klausen gefirmten 93 Trittenheimer Kinder versagten auch bei der Katechese nicht; sie sei „im allgemeinen wohlbefriedigend“ ausgefallen, notierte Garnier; selbst sehr erfahren in diesem Zweig der Seelsorge und Kindern besonders zugetan, hatte er doch selbst ein Gebetbüchlein für Kinder verfaßt, das nicht nur zwei Auflagen erlebte, sondern auch ins Deutsche übersetzt wurde. Auch der Pfarrer erhielt Beifall seitens der Visitatoren. Seine Katechese weise Ausdruck auf und zeuge von Übung in der Sache. Der fünfzehnjährige Jakob Weber und die dreizehnjährige Margarethe Herres wurden aufgrund ihrer Leistungen vom Bischof mit Preisen ausgezeichnet.

Gefreut haben wird Pfarrer Brauns auch das Urteil, das die Trittenheimer Sendschöffen über ihn gegenüber dem Bischof abgaben: sie seien, so notierte Garnier, in allen Punkten zufrieden, ja, sie „führten die größten Lobreden über ihren Pfarrer.“ Johann Josef Brauns wirkte übrigens dann bis zu seinem Tod am 12. Februar 1823 als Pfarrer von Trittenheim, hätte also fast genau sein fünfzigjähriges Orts- und sein Diamantenes Priesterjubiläum feiern können und ist der am längsten amtierende Pfarrer von Trittenheim überhaupt.

Was erfahren wir über Trittenheim noch anläßlich der Visitation des Jahres 1804? Der Ort hatte damals 120 Häuser, in denen man 500 Kommunikanten zählte. Von den Einkünften konnte der Pfarrer gut leben, denn die Gemeinde gab ihm jährlich zwei Fuder Wein, sechs Malter Frucht (Roggen oder Weizen), dreißig Zentner Heu und Stroh und fünfundzwanzig Fuhren Holz. Das Wittum (Pfarrgut) erbrachte einen Wagen Heu, die Stiftungen beliefen sich auf fünfundzwanzig, der Ertrag aus Kasualien (Sakramentenspendung) auf ungefähr zwölf Taler jährlich. Die sogenannte Kirchenfabrik, also das Kirchenvermögen, hatte im Jahre 1804 insgesamt 2794 Taler an Kapitalien, deren Zinsen, 117 Taler, die Gemeinde ebenfalls dem Pfarrer überließ. Die in den Jahren 1790/93 erbaute Kirche war nach Ausweis der Visitationsakte sehr schön und groß; die Altäre und Paramente erwiesen sich als in gutem Zustand befindlich. Man besaß eine Monstranz von vergoldetem Kupfer mit silbernen Figuren, ferner ein Ziborium (Speisekelch) und drei Kelche. In der Pfarrei lebte noch ein anderer Priester, der zugleich das Amt eines Küsters ausübte. Es handelte sich um den 1773 in Klüsserath geborenen Matthias Werner, dem Pfarrer Brauns ein gutes Zeugnis ausstellte. Werner bekleidete die Frühmesserstelle in Trittenheim bis zum Jahre 1805, wurde dann Pfarrer in Zewen, später in Oberstein, Malborn und Seffern und schließlich im Jahre 1826 Dompsalterist und Domrendant in Trier. 1829 zum Domvikar ernannt, starb er am 1.8.1844 in Trier.

Man sieht, Trittenheim war im 18. und 19. Jahrhundert eine Pfarrei, deren geistlicher Leiter es gut, ja sogar sehr gut vorfand. Dementsprechend selten waren auch die Stellenwechsel der Pfarrer: im ganzen 18. Jahrhundert zählen wir nur vier Pastöre: Hubert Stephani (1688-1703) aus Bitburg, Philipp Jakob Zwang (1703-1750) aus Echternach, Anton Josef Michael Werner (1751-1772), ein gebürtiger Trittenheimer, schließlich Johann Josef Brauns (1773-1823) aus Büchel; das 19. Jahrhundert kennt als Nachfolger Brauns lediglich fünf Namen: Richard Josef Keppelen (1823-1834) aus Niederemmel, Nikolaus Liehl (1834-1870) aus Bernkastel, Anton Cannive (1870-1890) aus Wallendorf, Karl Bremer (1890-1894) aus Trier und schließlich Johann Peter Bettingen (1895-1908) aus Neuerburg, dessen Amtszeit dann schon bis ins 20. Jahrhundert hineinreicht. Offensichtlich ließ es sich in Trittenheim als Pfarrer sehr gut leben.

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Fast drei Jahrzehnte später, am 23. Mai 1832, stand wieder ein Trittenheimer Pfarrer, und zwar Pfarrer Brauns Nachfolger Keppelen, in Erwartung seines Oberhirten mehr oder minder nervös am Ortseingang von Trittenheim. Dieses Mal galt die gespannte Erwartung des vier Tage zuvor 37 Jahre alt gewordenen Pastors einem Mann, der für seine Zeit bereits als hochbetagter Greis gelten mußte: Bischof Josef v. Hommer (1824-1836, Abb. 3) stand bei seinem Besuch in Trittenheim bereits im 73. Lebensjahr. Es war und ist schlicht bewundernswert, was dieser Mann noch leistete! Das beste Mittel zur Beaufsichtigung des Klerus wie zur Überprüfung der seelsorgerischen Praxis erblickte er nämlich in der persönlichen Visitation der Pfarreien seines umfangreichen Bistums. Bis in die letzten Lebensjahre hinein hat er fast alle der damals knapp 700 Pfarreien des Bistums Trier besucht, nur ganz selten durch seinen Weihbischof vertreten. Man kann sich leicht vorstellen, wie strapaziös solche Visitationsreisen waren. Von April bis September 1830 beispielsweise besuchte Hommer 125 Pfarreien. Auf staubigen, schlechten Straßen, in einer rüttelnden Kutsche sitzend, die vorab eingegangenen Visitationsfragebögen - nun ein 15 Seiten starkes Heft mit insgesamt 121 Fragen - studierend, um sie vor Ort mit der Realität zu vergleichen, begab sich ein für seine Zeit als uralt geltender Mann von Pfarrei zu Pfarrei, hatte Empfänge, zu reichliches Essen - wenngleich er sich für die Visitationen mehr als „drei Fleische“ verbeten hatte! - und langwierige Gottesdienste mit Hunderten von Firmlingen in Aussicht, memorierte seine Predigt und lebte im übrigen der Hoffnung, seine geistlichen Mitbrüder vor Ort kämen ihren Verpflichtungen zufriedenstellend nach.

Pfarrer Keppelen hatte sein Amt in Trittenheim wenige Monate nach Pastor Brauns Tod angetreten. Wir dürfen es im Abstand von 175 Jahren ruhig schreiben: einige Bewohner Trittenheims hatten während der Sedisvakanz ihre Finger nicht bei sich behalten können! Man kennt dergleichen ja bis zum heutigen Tag: ganze Pfarrarchive verschwinden spurlos, kirchliche Kunstgegenstände lösen sich in Nichts auf ... Jedenfalls teilte Pfarrer Andreas Bischof von Leiwen im März 1823 der Bischöflichen Behörde mit: „Bei der neulichen Möbelversteigerung wurden von den Trittenheimern der Rest der Amtsblätter ganz gestohlen, auch stahl einer den Hauptschlüssel, so daß nun zur Sicherheit das Schloss ganz umgeändert werden muß.“ Keinen Monat später nahm Keppelen, bis dahin Pastor von Dhron, Besitz von der Pfarrei Trittenheim! Er hat dort - um es vorwegzunehmen - kräftig Remedur geschaffen, erwarb sich die vollständige Anerkennung seines Bischofs und erhielt zum Lohn im Jahre 1834 die bedeutende Pfarrei Wittlich übertragen, wo er als Nachfolger von Wilhelm Arnoldi, dem späteren Bischof von Trier, bis zu seinem Tod im Jahre 1860 segensreich wirkte.

Was fand Bischof v. Hommer in Trittenheim vor? Unser Ort hatte sich gegenüber dem vorangegangenen Bischofsbesuch nicht vergrößert: er zählte 500 Kommunikanten, die sich auf 150 Familien verteilten. So ergab sich eine „Seelenzahl“, wie man es früher nannte, von insgesamt 700, die übrigens alle katholisch waren. Hier ist es am Platz, in einigen wenigen Sätzen Statistik, zu betreiben. Wie entwickelte sich die Bevölkerung Trittenheims in den Folgejahren? Pfarrer Keppelen hat in einem seiner Kirchenbücher eine genaue „Uebersicht der Geburten, Heurathen und Sterbefälle dahier“ für seine Amtszeit, also für die Jahre 1823 bis 1834, hinterlassen. Aus diesem Überblick ist ersichtlich, daß 311 Geburten (abzüglich sechs Todgeburten) 189 Sterbefälle gegenüberstanden; die Kindersterblichkeit war mit 73 Fällen übrigens erschreckend hoch. Dies alles hätte also einen Überschuß von 116 Geburten ergeben, wenn nicht die Zahl der Auswanderer das an und für sich positive Ergebnis getrübt hätte. Die Forschungen von Hans Gerwalin und Werner Schuhn zur Amerikaauswanderung von Trittenheimer Bürgern können hier ergänzt werden: Denn im November 1827 wanderten zehn Pfarrgenossen nach Brasilien aus, denen im April 1828 weitere dreiunddreißig folgten; von denen, die 1827 ausgewandert waren, kehrte Adam Fritsch im Jahre 1829 nach Trittenheim zurück. So ergibt sich also für die zwölf Jahre lediglich noch ein Geburtenüberschuß von 74 Seelen.

Absolut hat sich die Einwohnerzahl Trittenheims in der ferneren Zukunft dann wie folgt entwickelt: Im Jahre 1848 zählte man 860 Seelen; 1860 waren es 875; 1866: 897; 1869: 917; 1873: 963 Katholiken und zusätzlich (hier erstmals erwähnt) 76 jüdische Mitbürger; 1885: 929 Katholiken, 6 Protestanten und 54 Juden; 1889: 984 Katholiken, 15 Protestanten und 55 Juden; 1894: 958 Katholiken, 4 Protestanten und 56 Juden; 1897 und 1899: jeweils 932 Katholiken, kein Protestant und 56 Juden.

Kehren wir zum Bischofsbesuch des Jahres 1832 zurück. Dem Visitator gefiel die in gutem Zustand befindliche, nunmehr vierzig Jahre alte Pfarrkirche außerordentlich gut: „Bey Gelegenheit der neulichen Pfarrvisitation gefiel mir ganz vorzüglich die schöne, saubere und passend dekorirte Kirche.“ Sein Gemüt sei davon ergriffen worden.

Über die Trittenheimer Pfarrkirche, ihre Erbauung, ihre innere Einrichtung, die Orgel und die im 19. und 20. Jahrhundert getroffenen Veränderungen hat Christoph Schmitt ausführlich in seiner Schrift „Ein 200 Jahre alter Neubau“ berichtet, so daß wir diesen Gegenstand hier ausklammern können. Wir wollen uns kurz anderen Dingen zuwenden, die den Bischof interessierten. Die Katechese von Pfarrer Keppelen fand sein Wohlgefallen: es gefiel „mir ganz vorzüglich, daß die Pfarrjugend in der Katechese so zweckmäßige Antworten gab auf die an sie gestellten Fragen; es ist sehr zu wünschen, daß Sie mit gleichem Fleiß und Eifer fortfahren, die Jugend gründlich in den Religionswahrheiten zu unterrichten, und Sie an dem höchst heilsamen Gebrauch festhalten, öfter das Jahr hindurch zu den hochheiligen Sakramenten zu gehen.“ Die Trittenheimer Parochianen empfingen nämlich - was nicht außergewöhnlich war - im Jahr nur vier- bis fünfmal die Eucharistie. Der ehedem sehr erfahrene Schulmann v. Hommer besuchte natürlich auch die Schule. Unterricht für die Mädchen erteilte der 48jährige Peter Josef Blasius aus Trittenheim, die Jungen wurden von dem 24jährigen Lehrer Jakob Schmitz, aus Klüsserath stammend, unterrichtet. Beide Lehrer hatten ihre Ausbildung im renommierten Lehrerseminar St. Matthias bei Trier genossen. Hommer war mit den Ergebnissen recht zufrieden: „Die Knaben lesen gut, aber nicht deutlich genug. Sprachlehre ziemlich. Kopfrechnen gut. Im Gesang sind sie am weitesten. Biblische Geschichte gut. Die Mädchen lesen deutlicher“, notierte er sich. Wie an so vielen Orten, lag auch in Trittenheim der Pastor mit einem der Schullehrer in Streit: mit dem Mädchenlehrer verstand er sich einfach nicht, er genüge seinem Amte nicht, kurz: er sei faul. Der Bischof mahnte: „Wenn auch der eine Lehrer nicht nach Ihrem Wunsche ist, so besuchen Sie nur desto öfter die Schule, um durch Ihre Mühe und Sorgfalt das zu ersetzen, was dem Lehrer an Fähigkeit und Energie abgeht. Die beyden Schulen machen Ihnen zwar etwas mehr Mühe, als wenn dieselben unter einem tüchtigen Lehrer vereinigt wären. Doch nichts lohnt die Mühe mehr als fleißige Aufsicht auf die Jugend; und eine gute kernhafte Bildung und gute Erziehung: das ist das Fundament ihres ganzen Lebens; und sie kann nicht zu sorgfältig gepflegt werden.“

Mit dem moralischen Status der Bevölkerung Trittenheims waren Pfarrer wie Visitator gleichmäßig zufrieden. Exzesse existierten nicht. Abergläubigkeit gebe es ebensowenig wie Sekten. Der Gottesdienst werde pflichtgemäß besucht. Auf die Frage, ob es unter den Eheleuten häufig Uneinigkeit gebe, antwortete der Pastor mit einem entschiedenen „nein“.

Der von Bischof v. Hommer wahrscheinlich selbst entworfene Fragebogen zur Visitation enthielt auch eine Rubrik „Gottesdienst“, bei der die Pfarrer vierzehn Fragen zur Sonn- und Werktagsmesse, zum Gesang, zum Träger dieses Gesanges (Chorträger oder Volk?), zum Katechismus, zu den Andachten, zu den gottesdienstlichen Gebräuchen in der Bittwoche und im Maimonat, zur Aussetzung des Allerheiligsten und zu weiteren ähnlichen Gegenständen der Liturgie beantworten mußten. Wir greifen hier beispielhaft nur zwei der Fragen heraus. Sie lauteten „Welches Gebetbuch ist vorzüglich eingeführt? Welches Gesangbuch?“

Pfarrer Keppelen nannte als verbreitetes Gebetbuch das Lehr- und Gebetbuch „Guter Samen auf ein gutes Erdreich“ (Abb. 4) des bayerischen Benediktiners und Pastoraltheologen Aegidius Jais (1750-1822). Dieses Buch zirkulierte nach einem zeitgenössischen Bericht um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch „in Hunderttausenden von Exemplaren“ in der katholischen Bevölkerung des deutschsprachigen Gebietes, und auch im Bistum Trier war es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stark verbreitet. Nach dem Zeugnis der Trierer Geistlichkeit wurde das Buch vor allem von der jüngeren Generation gern benutzt. In Jais' „Guter Samen“ stand gemäß den Tendenzen der Aufklärung das Ermahnen, Belehren sowie der Hinweis auf Wissen und Erkennen stark im Vordergrund. Der Adressat des Gebetbuches war der gemeine Mann, näherhin der Landmann, der einfache Bauer. An ihn wandte sich dieses „allgemein beliebte Volksbuch“, wie es sogar vom antiaufklärerischen Augsburger Jesuitenorgan namens „Kritik über gewisse Kritiker, Rezensenten und Broschüremacher“ im Jahre 1795 fast widerwillig belobigend genannt wurde. Jais selbst bemerkt in der Vorrede in seinem Buch, er habe manches in das Werk hineingenommen, was eigentlich nicht in ein Gebetbuch gehöre. Aber Gebetbücher würden nun einmal am liebsten gekauft und am meisten gelesen: „Ja, ein Gebetbuch ist oft das einzige Buch, das man bei einem Christen findet.“ Daran schließt sich ein ökonomischer Gesichtspunkt des erfahrenen Seelsorgers an: es sei gut, wenn man alles in einem einzigen Buch zusammen habe „und im Falle der Noth das Geld ersparen“ könne. So ist denn auch im „Guten Samen“ das sogenannte „Hausbüchlein“ ein sehr wichtiger Bestandteil. Es bietet zahlreiche human- und veterinärmedizinische Ratschläge und mannigfache Anregungen, als da sind: Verhalten bei Viehseuchen und bei Feuersbrünsten; die Kunst, lange zu leben; vom Nutzen und Gebraucht des Essigs; Mittel gegen Zahn-, Ohren- und Kopfweh, gegen Halsentzündungen, Katarrh, Seitenstechen, Wassersucht und „gegen den Wurm am Finger“. Hier bewegte sich Jais ganz im Rahmen des aufklärerischen Nützlichkeitsdenkens, wenngleich sein Werk ansonsten vom Geist einer radikalen Aufklärung wenig angekränkelt war. Die Gebete und Betrachtungen des Buches waren im übrigen biblisch-fundiert, fromm und erbaulich. Ob der „Gute Samen“ nun seine Verbreitung und merkantilen Erfolg bei den Gläubigen der Gebetbuchkomponente oder aber doch eher dem „Hausbüchlein“ verdankt, soll und kann an dieser Stelle nicht entschieden werden. Jedenfalls war das Buch als Gebetbuch beliebt und verbreitet, bis eine neue Zeit unter einem Gebetbuch etwas anderes verstand und wollte und dann auch bekam.

Als verbreitetes Gesang- und Gebetbuch nannte Pfarrer Keppelen folgenden Titel: Der Heilige Gesang, oder Katholisches Gesang- und Gebetbuch zum Gebrauch beym öffentlichen Gottesdienste in der Diözese Trier. Herausgegeben von dem Pfarr-Amte zu Ehrenbreitstein (Abb. 5). Dieses Ehrenbreitsteiner Gesangbuch, wie es landläufig genannt wurde, war das verbreitetste Gesang- und Gebetbuch im Bistum Trier vor Erscheinen des ersten Trierer Diözesangesangbuches im Jahre 1846. Herausgeber war Josef von Hommer selbst, der von 1802 bis zu seinem Regierungsantritt als Trierer Bischof 1824 als Pfarrer von Ehrenbreitstein amtiert hatte. Dort gab er das Buch im Jahre 1818 erstmals heraus. Es erlebte bis 1846 mindestens achtzehn weitere Auflagen. Zu den Ehrenbreitsteiner kommen vier in Trier nach Hommers Tod gedruckte Ausgaben, ein im Jahre 1827 in Trier erschienenes Orgelbuch sowie einige separat erschienene Vertonungen einzelner Kirchenlieder aus dem Ehrenbreitsteiner Gesangbuch. Seit dem Jahre 1829 führte Hommers Gesangbuch, für das er ebenso nachdrücklich wie dezent bei den Pfarrern warb und denen er gelegentlich im Anschluß an die Visitation ein Gratisexemplar dedizierte, den Titelzusatz „Zum Gebrauch beym öffentlichen Gottesdienste in der Diözese Trier“. Es hatte damit einen halboffiziellen Charakter und setzte sich wahrscheinlich auch deshalb von Jahr zu Jahr mehr durch. Im Jahre 1846, also zehn Jahre nach Hommers Tod, war das Ehrenbreitsteiner Gesangbuch in mehr als der Hälfte der Pfarreien des Bistums rezipiert. Im Dekanat Adenau z. B. war es 1845 in über 90% aller Pfarreien verbreitet, im Dekanat Mayen im gleichen Jahr in fast 83%, in den Dekanaten Cochem und Zell im Folgejahr jeweils in 72% aller Pfarreien. Der Gebetsteil des Ehrenbreitsteiner Buches schöpfte vor allem aus den Werken bekannter Vertreter der katholischen Aufklärung, von denen wir hier nennen Johann Michael Sailer, den späteren Bischof von Regensburg, Jakob Brand, den ersten Bischof des 1827 neugegründeten Bistums Limburg, den Prager Philosophen Karl Heinrich Seibt, den Münchener Hofrat und Archivar Karl v.  Eckartshausen, den Leitmeritzer Dominikaner Alexander Vinzenz Parizek und Johann Alois Schneider, einen ehemaligen Jesuiten, der nach Auflösung seines Ordens 1773 Beichtvater des sächsischen Herrscherpaares, apostolischer Vikar im Königreich Sachsen und Titularbischof von Argos wurde. Hommers Ehrenbreitsteiner Gesangbuch ist der wichtigste Fundort für den Gebetsteil des ersten Diözesangesangbuches 1846 gewesen. Sogar das zweite Diözesangesangbuch vom Jahre 1871 hat nochmals auf diese Quelle zurückgegriffen. Von den Liedern, die erstmals mit dem Ehrenbreitsteiner Gesangbuch im Trierischen heimisch wurden, haben sich, auf längere Sicht gesehen, folgende eingebürgert: Anbetung, Dank und Ehre; Nimm an der Gaben Weihe; Sage mir, du, den meine Seele liebt (seit 1955 zum Text Guter Hirt, der du deine Herde liebst); Am (Beim) letzten Abendmahle; Jesus, unser Heil und Leben; Jesus, du bist hier zugegen und Gott Vater sei gepriesen. Das Ehrenbreitsteiner Gesangbuch vermittelte aber auch das ältere Kirchenlied in die Trierer Diözesangesangbücher. Wir nennen hier nur: Alles meinem Gott zu Ehren; Jesus ruft dir, o Sünder mein; O Traurigkeit, o Herzeleid; Freu dich, du Himmelskönigin und das bekannte O Christ, hie merk aus der Feder von Friedrich Spee. Aus den überregional bedeutsamen Büchern namens „Heiliger Gesang“ (Landshut 1777, Salzburg 1781 und 1783) sowie aus dem Kurtrierischen Gesangbuch 1786 entnahm man und tradierte weitere, zu Lieblingsgesängen des katholischen Volkes gewordene Lieder, z. B. Herr, großer Gott, dich loben wir; Wir beten an; Tauet Himmel, den Gerechten; Gott, vor deinem Angesichte; Das Grab ist leer, der Held erwacht; Komm, Heiliger Geist, o dritte Person; Deinem Heiland, deinem Lehrer; Glorreiche Himmelskönigin und Ich glaube, Gott, mit Zuversicht. Gewiß gehörte das eine oder andere dieser Lieder auch zum Repertoire der sonntäglichen Meßbesuche in Trittenheim. In Analogie zur Situation im gesamten Bistum Trier dürfte dagegen die Meßliedreihe Hier liegt vor deiner Majestät, ebenfalls dem Landshuter Gesangbuch „Heiliger Gesang“ 1777 entnommen, in Trittenheim mit einiger Sicherheit heimisch gewesen sein. Die Majestätsmesse, wie sie bald langläufig bezeichnet wurde, steht, im Umfang seit 1892 allerdings reduziert bzw. dem Text nach verändert, bis in das letzte Trierer Diözesangesangbuch vom Jahre 1955. Die Verantwortlichen für den Trierer Eigenteil des Einheitsgesangbuches „Gotteslob“ (1975) konnte sich dagegen zur Übernahme dieser ältesten, beliebtesten und verbreitetsten Meßliedreihe nicht mehr durchringen. In ihrer ursprünglichen textlichen Gestalt des Franz Seraph von Kohlbrenner lauteten ihre Gesänge: zum Kyrie bzw. Eingang: Hier liegt vor deiner Majestät, zum Gloria: Gott soll gepriesen werden (seit 1892 ersetzt durch: Singt dem Herrn der Herrlichkeit), zum Evangelium: Wir sind im wahren Christentum, zum Credo: Allmächtiger, vor dir im Staube, zum Offertorium: Nimm an, o Herr, die Gaben (seit 1892 ersetzt durch Von allem, was, o Herr, ich hab), zum Sanctus: Singt, heilig, heilig, heilig, nach der Wandlung das „überraschend liturgiegerechte“ (Balthasar Fischer) Lied: Sieh, Vater, von dem höchsten Throne, zum Agnus Dei: Betrachtet, wie in Schmerzen (1955 ersetzt durch: O du Lamm Gottes), zur Kommunion: O Herr, ich bin nicht würdig und zum Beschluß: Nun, Isaak ist geschlachtet (1955 statt dessen: Anbetung, Dank und Ehre). Ohne Zweitel ist diese Meßliedreihe den Trittenheimern um die Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt gewesen. Indes ist sie nicht immer und vollständig von den Gläubigen in der sonntäglichen Pfarrmesse gesungen worden. Wie in anderen Pfarreien war es auch in Trittenheim wahrscheinlich so, daß man eingangs, vor allem auch nach der Wandlung und dann manchmal zum Schluß der Messe ein deutsches Lied sang. Muttersprachlicher Gesang erklang wohl auch gelegentlich in der Frühmesse, vor der Christenlehre, bei der abendlichen Andacht und natürlich bei den Bittprozessionen und der Wallfahrt nach Trier. Aber sonst war die lateinische Sprache noch vorherrschend im Gottesdienst.

Bischof v. Hommer firmt 64 junge Menschen beim Gottesdienst und verließ dann Trittenheim. Er sollte den Ort bis zu seinem Tod am 11.11.1836 nicht wiedersehen. Pfarrer Keppelen verließ 1834 (übrigens nach einigem Verdruß mit den Trittenheimern) seine Pfarrei und wechselte nach Wittlich über.

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Pfarrer Nikolaus Liehl, der Nachfolger von Pastor Keppelen, muß ein Mann von bemerkenswert mildem Sinn gewesen sein. Als Bischof Wilhelm Arnoldi (1842-1864, Abb. 6) am 3. November 1848 Trittenheim besuchte - er sollte noch zweimal, nämlich am 12.8.1854 und dann am 21.6.1860 Trittenheim visitieren -, ist die Rede ohne Zweifel auch auf die revolutionären Ereignisse im März des Jahres 1848 gekommen. Schließlich hatte der Bischof sich im Anschluß an die Geschehnisse in zwei Hirtenschreiben an seine Diözesanen bemüht, beruhigend und mäßigend auf die zum Teil aufgeregte Bevölkerung auch des Moselraumes einzuwirken. Immer wieder attestiert Pfarrer Liehl den Trittenheimer Einwohnern einen guten moralichen Sinn und lobt sie. Ob er dies anläßlich des Bischofsbesuchs auch getan haben würde, wenn er gewußt hätte, was ihm gut drei Wochen später widerfahren sollte? Hans Gerwalin berichtet, was anläßlich der St. Clemens-Kirmes am 26. November 1848 in Trittenheim geschah. Unter anderem wird erzählt, „daß gegen Abend, beschwingt und aufgewühlt durch den übermäßigen Weingenuß, eine Gruppe, meistens Kinder, zum Haus des Steuereinnehmers Marion zog und ihm verkündete, man würde keine Steuern mehr bezahlen, und er könne von Trittenheim fortziehen. Anschließend zog man zur Schule, wo man dem Lehrer und der Lehrerin verkündete, man käme nicht mehr zur Schule, und sie könnten für sich selbst Schule halten. Der Lärm am Schulhaus veranlaßte Pastor Liehl aus dem nebenstehenden Pfarrhaus auf die Treppe zu kommen und die Kinder zur Heimkehr aufzufordern. Diese riefen: 'Republik, Republik, unser Pastor ist verrückt.' Nachdem man mit Steinen nach ihm geworfen hatte, zog er sich ins Pfarrhaus zurück.“

Aktenkundig hat sich kein böses Wort von Liehl über seine Pfarrkinder erhalten.

Gut vier Wochen später widerfuhr dem Pfarrer dann aber etwas, was sich zwar nicht persönlich gegen ihn richtete, ihm aber großes Herzeleid verursacht haben dürfte: in Trittenheim geschah ein Kirchendiebstahl! Lassen wir die Akten selbst berichten. Liehl meldete dem Trierer Generalvikariat am 4. Januar 1849, „daß in der Nacht vom 3. auf den 4. Januar in unsere gut verschlossene Pfarrkirche gewaltsam eingebrochen worden ist, und aus derselben folgende Gegenstände gestohlen worden sind:

1. Sieben Alben mit Spitzen. Darunter eine neue mir zugehörige mit 8 Zoll breiter kostbare Spitze.
2. Fünf Altartücher mit Spitzen. Darunter ein neues mit 8 Zoll breiter Spitze.
3. Zwei Vesperröckel, der eine von Leinen, der andere Mousseline.
4. Zwei große Handtücher.
5. Ein hellblau wollener Überzug für einen Betstuhl.
6. Ein himmelblauer mit silbernen Franzen besetzter Kragen von einer Chorkappe.
7. Ein mit Silberdraht und Franzen besetzte Bordure von einer Chorkappe.
8. Eine silberne schwach vergoldete Kuppe von einem Kelch, der zum täglichen Gebrauch diente.
9. Ein Weihrauchsgefäß in der Form eines Schiffchens, bestehend aus Kupferblech und neu versilbert.
10. Zwei silberne Krampen von einer Chorkappe.

Die gestohlenen Gegenstände waren in einem gut verschlossenen Schranke in der Sakristey verwahrt. Zur Verfolgung der Diebe sind sogleich alle möglichen Anstalten getroffen worden.“

Kaum hatte Pastor Liehl seine Unterschrift unter dieses Schreiben gesetzt, sah er sich genötigt, ein schnelles Postskriptum anzufügen, denn: „Soeben höre ich, daß heute in aller Frühe zwei Kerle in Begleitung eines Frauenzimmers mit Säcken auf den Hotten im Clüsserather Wald gesehen worden sind. Auf dieselben wird nun gefahndet.“

Zwei Tage später berichtet er nach Trier: „Ich beehre mich einem Hochwürdigen General-Vikariat die erfreuliche Anzeige zu machen, daß es mit Gottes Hülfe der unermüdlichen Thätigkeit der hiesigen Einwohner gelungen ist, die aus unserer Kirche gestohlenen Gegenstände sammt den Dieben zu entdecken. - Durch die schleunige Verfolgung der Diebe wurde denselben sogleich ein Bündel der gestohlenen Leinwand abgejagt, welches in einem Walde nahe bei Rievenich gefunden wurde. Darauf wurde in das Dorf Rievenich eingerückt und in demselben ein höchst verdächtiges Hauß umstellt, in welchem zwei Kerle und mehrere Weibspersonen betroffen wurden. Der eine dieser Kerle trug an seinen Händen Spuren von frischen Wunden, dem andern war eine Hand gelähmt. Auf diese Anzeichen hin wurden die beiden Kerle fest genommen und nach Hetzrath in Gewahrsam abgeführt. Sofort wurde unter der sehr eifrigen und umsichtigen Leitung des Herrn Bürgermeisters von Hetzrath das verdächtige Hauß untersucht, worin die übrigen gestohlenen Gegenstände sodann gefunden wurden. Die gestohlenen Metallgeräthschaften und das noch fehlende Leinwand wurde in dem Bette einer angeblich todtkranken Frau, der abgeschnittene Kragen und die Bordure von der Chorkappe aber unter dem Dache, und die sämmtlichen Diebsgeräthschaften in dem Schornsteine gefunden. - So ist also eine Diebsbande, die die ganze Gegend unsicher macht, aufgehoben und der Gerechtigkeit überliefert worden. - Hier im Dorfe herrscht über die Entdeckung der Diebe eine ausserordentliche Freude. - Ich richte nun an den Herrn Bürgermeister von Hetzrath ein Danksagungsschreiben für seine bewiesene Nachsicht und seinen Eifer bei der Bewachung und Untersuchung der Diebeshöhle und es würde mich sehr freuen, wenn dies auch von einem Hochwürdigen General-Vikariat geschehen würde. Unser Bürgermeister verhielt sich bei der ganzen Geschichte sehr passiv.“

Drei Tage später, am 9. Januar 1849, richtete er einen abschließenden Bericht an den Trierer Generalvikar Matthias Martini: „Ich beehre mich Ew. Hochwürden über das in Rievenich ausgehobene und in unsere sehr gut und fest verschlossene Pfarrkirche gewaltsam eingebrochene Diebsgesindel noch Einiges mitzutheilen. - Der eine der Diebe, von Profession ein Schneider, ist ein sehr gefährliches Subject. Er ist vom Rheine zu Hause und in der Gegend von St. Goar geboren. Er ist schon einmal wegen eines Kirchendiebstahles, der in Kell verübt wurde, in Untersuchung gewesen, jedoch, da man nichts hat auf ihn bringen können, frei gekommen, aber unter polizeiliche Aufsicht gestellt worden. Er gehört vermuthlich einer weit verzweigten am Rheine haussenden Gaunerbande an. Seit einem Jahre hielt er sich in Rievenich auf, wo er mit einer Dirne in wilder Ehe lebte. Der andere Dieb ist ein Sohn aus dem Hauße und lebte ebenfalls in wilder Ehe. Er war auch schon früher wegen eines Diebstahls in Haft. Der Haußvater ist ein in hiesiger Gegend bekannter müßiger Bettler, der um Mitleiden zu erregen, allerlei Gebrechen heuchelte, jedoch wenn er allein war, wie ein rüstiger und starker Mann aussah. - Es hat wirklich viele Mühe gekostet, den Diebstahl zu verifiziren. Zweimal wurde die Diebeshöhle von den hiesigen jungen Leuten unter Leitung des Herrn Bürgermeisters von Hetzrath untersucht und nichts gefunden. Die im Bette liegende angeblich todtkranke Frau hatte die gestohlenen Gegenstände an sich gebunden. Als man jedoch anfing, die Dirnen zu untersuchen, glaubte sie, daß man das auch mit ihr thun würde. Sie ließ sich nun die gestohlenen Gegenstände abnehmen und in das Bett verbergen, indem sie nicht glaubte, daß dasselbe zum drittenmal untersucht werden würde.“

Soweit der Trittenheimer Kirchendiebstahl und seine schnelle Aufklärung.

* * *

Daß es ausgangs des 19. Jahrhunderts in Trittenheim einen kleinen Glockenstreit gegeben hat, ist nur wenigen bekannt. Daß es ihn überhaupt geben konnte, ist auch dadurch zu erklären, daß die katholische Kirche aus dem Kulturkampf nicht geschwächt, wie staatlicherseits erhofft, sondern gestärkt und selbstbewußt hervorging. Denn weder die Inhaftierung von Bischof Matthias Eberhard (1867-1876, Abb. 7) noch die brutalen Versuche des preußischen Staates, die Trierer Kirche in den Griff zu bekommen - im Kulturkampf waren zuletzt 230 Pfarreien (= 31,5 %) vakant und 212 Diözesanpriester emigriert bzw. nie im Bistum tätig gewesen -, waren von Erfolg gekrönt.

Trittenheim selbst hat infolge günstiger Umstände wenig unter dem Kulturkampf gelitten. Als besonders glücklich erwies sich, daß während der ärgsten Zeit, also etwa zwischen 1871 und 1881, kein Amtswechsel in unserem Pfarrort stattfand: Pfarrer Anton Cannive amtierte bekanntlich von 1870 bis 1890. Die Neubesetzung einer Pfarrstelle, für den Staat in aller Regel der Angriffspunkt schlechthin, entfiel damit als Streitfall. Nach dem kurzen Intermezzo durch Pfarrer Karl Bremer besetzte dann ab 1895 für dreizehn Jahre Johann Peter Bettingen die Pfarrstelle.

Bettingen teilte am 9. Januar 1898 dem Generalvikariat mit: „In hiesiger Gemeinde besteht bezüglich des Gebrauches der Kirchenglocken ein arger Mißbrauch, indem für alle auch die geringfügigsten Gemeindeangelegenheiten stets die größte Kirchenglocke benützt wird. Sollen Steuerzettel vertheilt werden, die Glocke läutet, kommt der Rentmeister zur Hebung, die Glocke läutet, beginnt eine Versteigerung, die Glocke läutet, und so in vielen anderen Fällen, so daß nicht selten 3, 4 und 5 mal an einem Tage die große Glocke für derartige Gemeindezwecke gebraucht wird.“ Er habe nun als Pfarrer einen Beschluß des Kirchenvorstandes herbeigeführt, „wonach in Zukunft die Kirchenglocken außer (in) den im Gesetze vorgesehenen Fällen nur zu kirchlichen Zwecken gebraucht werden“ sollten. Die kirchliche Behörde in Trier - es regierte Bischof Michael Felix Korum (1881-1921, Abb. 8) - billigte dieses Vorgehen und Ende Februar teilte Pfarrer Bettingen der Behörde mit, dem Beschluß des Kirchenvorstandes sei Anerkennung verschafft worden, denn „die Civilgemeinde läßt jetzt ihre Gemeindeverkündigungen durch (eine) Ortsschelle bekannt machen.“ Aber die Zivilgemeinde hatte noch einen Pfeil im Köcher, denn der Polizeidiener hat „am vorigen Samstag auf Anweisung des Herrn Bürgermeisters hin von der größten Glocke das Glockenseil (Drahtseil) abgelöst unter dem Vorgeben, dasselbe sei von der Civilgemeinde in Anspruch genommen.“ Das Seil war übrigens 1892 oder 1893 an der Glocke angebracht worden. Er, Bettingen, sei zwar der Meinung, das Glockenseil sei „in dem Augenblicke, wo es an die Glocke befestigt wurde, von der Civilgemeinde an die Pfarrkirche übergeben worden und in das Eigenthum der Pfarrkirche übergegangen“ und ferner sei die Zivilgemeinde für das Seil durch den langjährigen Mitgebrauch der Glocke „überreich entschädigt“ worden, auch werde er beim Bürgermeister Protest einlegen und das Seil zurückfordern. Indes: „Ob dieser Forderung entsprochen werden wird, weiß ich nicht, möchte es sogar sehr bezweifeln.“ Wegen einer solchen „Bagatellsache“ wolle er auch nicht vor Gericht gehen.

Das Glockenseil konnte im übrigen nicht zurückgegeben werden, denn es wurde „sofort für Gemeindezwecke an der Fähre verwendet“. Die Zivilgemeinde trat ihrerseits aber wieder wegen des Läutens an die Kirche heran, und in einem Punkt waren sich Pfarrer und Bürgermeister einig, nämlich im Gebrauch der Glocke bei der Weinlese: „Es war bisher üblich, daß dann morgens, wenn zur Weinlese gegangen wurde, geläutet wurde; ebenso wurden die Leute durch die Glocke aus den Weinbergen heimberufen, wenn eingetretene mißliche Witterung dies zweckmäßig erscheinen ließ.“ Dieser Gebrauch wurde seitens des Pfarrers toleriert, denn die Ortsschelle erreichte in diesem Falle den Zweck der Glocke nicht, da „ein sehr großer Theil der Weinberge auf der anderen Moselseite gelegen ist.“ Inzwischen war auch von privater Seite ein neues Glockenteil beschafft worden, der Pfarrer bestand nicht mehr auf einem ursprünglich von der Zivilgemeinde für die Glockenmitbenutzung zu fordernden Zins von jährlich einer Mark - kurz: es kehrte wieder Friede ein. Denn selbst die Kirchenvorstandsmitglieder bedeuteten dem Pfarrer, ein solcher Zins werde nur große Erregung in der gesamten Gemeinde hervorrufen und sei nicht durchsetzbar; eine solche Bedingung - so schloß sich Pfarrer Bettingen dem Votum an - würde von der Zivilgemeinde als „große Gehässigkeit“ betrachtet werden. Wer hatte im Glockenstreit gesiegt? Die Vernunft der Trittenheimer, die schließlich alle in einem Boot saßen. So wurden sie - unsere Abb. 9 zeigt Trittenheim kurz nach dem Jahre 1910 - ins 20. Jahrhundert entlassen.

 

 

Quellen und Literatur:

- Pfarrakten, Kirchenbücher und Visitationsprotokolle von Trittenheim im Bistumsarchiv Trier.

- Priesterkartei ebda.

- Der Weltklerus der Diözese Trier seit 1800, Trier 1941, ergänztes und fortgeschriebenes Exemplar ebda.

- Aufnahme der Pfarreien, der unversorgten Priester und der mit einfacher Pfründe versehenen Geistlichen im Obererzstift Trier, 1788. Gesammelt von Joh. Jos. Birk, Pastor in Landkern, Trier o. J.

- Johann Christian Lager, Visitationsreisen des Bischofs Mannay in der Diözese Trier im Jahre 1804 und 1805, in: Trierisches Archiv XXVI/XXVII (1916) 180-217, hier: 180-184.

- Simon Garnier, in: Chronik der Diözese Trier 1 (1828) 262-263.

- Martin Persch - Michael Embach (Hrsg.), Die Bischöfe von Trier seit 1802. Festgabe für Bischof Dr. Hermann Josef Spital zum 70. Geburtstag (= Veröffentlichungen des Bistumsarchivs Trier, Bd. 30), Trier 1996.

- Hans Gerwalin, Trittenheim in der Gegenwart, in: Ferdinand Pauly, Trittenheim an der Mosel, Neuss 1972, 12-15.

- Werner Schuhn, Winzer, Küfer und Ackerer gehen nach Amerika, in: Jahrbuch 1985 für den Kreis Bernkastel-Wittlich S. 358-360.

- Christoph Schmitt, Ein 200 Jahre alter Neubau. Die Pfarrkirche St. Clemens 1790/93 (= Trithemiensia, Bd. 2), Trittenheim 1994.

- Martin Persch, Das Trierer Diözesangesangbuch von 1846 bis 1975. Ein Beitrag zur Geschichte der Trierer Bistumsliturgie (= Trierer Theologische Studien, Bd. 44), Trier 1987.

- Balthasar Fischer, Gesangbücher im Trierer Raum vor dem Erscheinen des ersten Diözesangesangbuchs (1846), in: Trierer Theologische Zeitschrift 65 (1965) 41-54.

- Martin Persch, Zur Praxis des Nachwandlungsliedes im Trierischen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Gratias agamus. Studien zum eucharistischen Hochgebet. Für Balthasar Fischer. Hrsg. von Andreas Heinz und Heinrich Rennings, Freiburg-Basel-Wien 1992, 369-383.

- Hans Gerwalin, Die Revolution 1848 in Trittenheim, in: Jahrbuch 1983 für den Kreis Bernkastel-Wittlich S. 261-264; erneut abgedruckt in: 1100 Jahre Trittenheim 893-1993, Trittenheim 1993, 36-37 und 44.

- Martin Persch, Trier, in: Geschichte des kirchlichen Lebens in den deutschsprachigen Ländern seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, hrsg. von Erwin Gatz, Bd. I: Die Bistümer und ihre Pfarreien, Freiburg-Basel-Wien 1991, 615-624.

Zur Firmung nach Luxemburg

In der Regel war die Spendung der Firmung an die Jugend des Dorfes verbunden mit der Visitation der Pfarrei. Doch während des Kulturkampfes (zwischen 1871 und 1887 in unterschiedlicher Intensität) und besonders in der Zeit der Vakanz des bischöflichen Stuhles nach dem Tode des Bischofs Matthias Eberhard (1876) war manches anders.

Aus dem Jahr 1879 berichtet das "Luxemburger Wort" in seiner Ausgabe vom 30. Mai über eine Firmung von jungen Menschen durch den Luxemburger Bischof Nikolaus Adames, den ersten Bischof des neugegründeten Bistums Luxemburg:

"Luxemburg, 29. Mai. Seit drei Tagen wiederholte sich in unserer Stadt ein Schauspiel, das in hohem Grade geeignet war, ein katholisches Herz zugleich mit Freude und Weh zu erfüllen. Es kamen nämlich am Dienstag, gestern und heute nahezu an 2300 Firmlinge aus der Nachbardiöcese Trier hiehin, um von unserem hochwürdigen Herrn Bischof das Sakrament der Firmung zu empfangen. Nachdem sie im Bahnhof abgestiegen, ordneten sich die Firmlinge, von denen überdies manche von ihren Eltern und verwandten begleitet waren, zu schöner Prozession und zogen singend und betend der Kathedrale zu. Zahlreiche Bürger waren hinausgeeilt, um den Zug zu sehen, und manche vestohlene und offene Thräne wurde geweint beim Anblick jener frommen Pilger, die aus der altehrwürdigen Diözese Trier nach der neugeschaffenen Diözese Luxemburg kamen, um jetzt hier ein Sakrament zu empfangen, das den Luxemburgern Jahrhunderte hindurch nur von Trierischen Bischöfen gespendet wurde. - Die Haltung der Firmlinge und überhaupt des ganzen Zuges war überaus erbaulich.
die Mädchen mit ihren weißen Kränze und in sittsamer Kleidung, die Jünglinge mit ihrem Gesangbuich unterm Arm und dem Ranzen über der Schulter, Männer und Frauen mit dem Rosenkranz in der Hand und die eifrigen Seelsorger inmitten ihrer Pfarrkinder: kurz, alle wie sie kamen, bekundeten durch ihre äußere Erscheinung, daß sie als Pilger kamen, voll Andacht und Glauben. Und wie sie gekommen, zogen sie auch wieder von dannen: kein Mißton störte die rührende Feier.
In der Cathedrale predigte vor der Firmung jedesmal einer der fremden Seelsorger und zwar am Dienstag Hr. Definitor Klein, Pfarrer von Thörnich, am Mittwoch Hr. Ulmer, Pfarrer von Föhren, heute Donnerstag Hr. Meiers, Pfarrer von Aach. ... Darauf fand die Firmung Statt, die mit der vorhergehenden Predigt an allen drei Tagen von 10 bis etwa 2 Uhr dauerte. Während der heiligen handlung und nach derselben zum Segen ertönten, von der ganzen Schaar gesungen, mehrere deutsche Kirchenlieder, und man konnte sich bei dieser Gelegenheit wieder einmal überzeugen, daß der kirchliche Volksgesang, zur rechten zeit gesungen, nicht wenig zur Erbauung der frommen Gemeinde beiträgt. ... Um 3 Uhr
des Nachmittags versammelten sich die Firmlinge wieder in der Kathedrale, wo sie nach einer überaus ansprechenden Segensandacht den Rosenkranz anstimmten und dann zum Bahnhofe aufbrachen, reicher geworden um ein hohes Gut, das Licht und die Kraft des hl. Geistes, und gestählt zu dem Kampfe den der Christ hienieden führen muß gegen die böse Welt, die eigene verderbte Natur u. die Mächte der Finsterniß. Möge doch die verwaiste Heerde recht bald einen neuen Hirten bekommen! Das wünschenvon Herzem unsern katholischen Mitbrüdern von der Mosel schönem Strande.
Die Firmlinge, welche an diesen drei Tagen aus der Diözese Trier nach Luxemburg kamen, vertheilten sich wie folgt:
Am Dinstag, 27. Mai, kamen die Firmlingen von Thörnich, Leiwen, Trittenheim, Köwerich, Clüsserath, Ensch, Detzem, Becond und Filiale Pölich (Pf. Mhring): ca. 800.
Am Mittwoch, den 28. Mai, die Firmlinge von Föhren, Riol, Longuich, Mehring und Filiale Fastrau (Pf. Fell): circa 800.
Heute Donnerstag, den 29. Mai, die Firmlinge von Kenn, Fell, Schweich und Filialie Naurath (Pf. Föhren): circa 700."

Dieser Bericht zeigt nicht nur ein besonderes Ereignis auf, sondern gibt auch einen Einblick in die Gestaltung besonderer kirchlicher Ereignisse: die Kleidung, der Schmuck und die Rolle des Rosenkranzes, der das Laiengebet schlechthin war.

Erst 1881 erhielt die Diözese Trier mit Bischof Michael Felix Korum einen neuen Oberhirten.