Der Berggeist - eine Sage

"Droben stehet die Kapelle, schauet still ins Tal hinab...", so beginnt Ludwig Uhlands Kapellen-Gedicht. Das wurde aber angesichts der Wurmlinger Kapelle gedichtet. Hätte er die Kapelle auf dem Trittenheimer Laurentiusberg sehen können, vielleicht hätte auch sie ihn zu ähnlichen Versen inspiriert.

Inspiration, Begeisterung geht auch von diesem Ort aus. Die Ursprünge des Gotteshauses verlieren sich im geschichtlichen Dunkel. Menschen zieht es immer wieder hinauf, sie geniessen den Ausblick über das mäandrierende Tal der Mosel, stehen still, verharren in Gedanken, vielleicht auch im Gebet. Nicht nur historische Fakten haben sich von diesem Ort erhalten. Auch eine alte mündliche Tradition, eine Sage, webt sich um diesen Ort.

Ob sich archaische Erinnerungen an ein altes Höhenheiligtum der vorchristlichen Bevölkerung wiederspiegeln? Vielleicht lebte der Geist dieses heiligen Ortes auch noch nach der Christianisierung weiter - zumindest in der Sage vom Berggeist des Laurentiusberges.

Man erzählt sich, dass in den vergangenen Zeiten Menschen immer wieder eine schreckliche Begegnung machten. Nahmen sie zu bestimmten Zeiten den Weg zur Kapelle hinauf, dass sollten sie das Fürchten lernen. Es soll sich folgendermaßen zugetragen haben:

Hatte jemand den halben Laurentiusberg erstiegen, tauchte aus dem Nichts ein dreibeiniges Unwesen auf. Seine Gestalt ähnelte einem Hammel, aber eben nur mit drei Beinen. Dieses unheimliche Wesen ließ nicht zu, dass ein Mensch seinen Weg unbehindert fortsetzen konnte. Jeder Versuch, ihm auszuweichen scheiterte. Es blieb nur ein Ausweg: man mußte sich dem Willen des Untiers beugen. Das geschah, indem man seine Last schulterte und so den Weg zur Kapelle fortsetzte. Es war kein leichtes, mit dieser Bestie den Weg fortzusetzen. Denn je näher man dem Gotteshaus kam und der Weg flacher zu werden schien, um so schwerer wurde die Bürde.

Oft kam man nur mit dem letzten Atem ans Ziel. Dort aber verschwand der Berggeist so geschwind wie er erschienen war.

Vielleicht würde auch heute noch manchem dieses Schicksal widerfahren. Aber da gab es doch einen Mutigen in vergangener Zeit, der den Berggeist in seine Schranken wies.

Das geschaf auf folgende Weise:

In früherer Zeit führte nicht nur ein Weg vom Dorf Trittenheim zur Kapelle hinauf, ein weiterer Weg führte auch den Laurentiusberg hinab zur Werth. Von dort setzte man mit einem Nachen über die Mosel nach Leiwen über. Solches tat eines Nachmittags ein Trittenheimer Pastor. Sein Nam ist uns nicht mehr überliefert. In Leiwen besuchte er seinen Amtsbruder. Einige Stunden später brach der geistliche Herr von dort auf. Gerade legte sich der Schleier des Abends über den Laurentiusberg. Mit Speis und Trank wohlversorgt setzte der "Här" mit dem Nachen zum Trittenheimer Werth über. Mit geschwinden Füßen erstieg er den Laurentiusberg. An den Mauern der Kapelle angekommen lenkte er geschwind seinen Blick auf die Pieta in der Kapelle und neigte seine Gedanken dem Herrn zu. Dann setzten sich seine Füße geschwind dem Dorf zu.

Da tauchte aus dem nachtseidenen Dunkel eine Gestalt auf: Wild dreinschauend und kampfeslustig stand vor dem Geistlichen das dreibeinige Untier.  Der wußte, das an Flucht nicht zu denken war. Es blieb ihm nur die Hoffnung, glimpflich davon zu kommen. Unversehens saß das Unwesen auf seinem Rücken und ließ sich gegen das Dorf hinab tragen. Nun wäre dies ja schon eine ausreichende Tortur gewesen. Aber der Berggeist begnügte sich bei dem geistlichen Herrn nicht damit, von ihm gegen das Dorf getragen zu werden. Er trieb seinen Schabernack mit ihm und ließ sich immer wieder hinauf- und hinabtragen. Dann führte er den "Här" noch im Kreis herum  und setzte ihm so arg zu, dass der kaum noch seine Bürde zu tragen vermochte. War dies die Rache des Berggeistes an dem Nachfahren eines christlichen Missionars? Zuguterletzt nach unmessbarer Zeit ließ das Wesen von ihm ab. Schweißgebadet und völlig erschöpft kam er am Pfarrhaus an. Seinem Hausgesinde wich er auf die Fragen aus, was ihm widerfahren sei. Er schickte sie einfach allesamt zu Bett. Der Pastor selbst zog sich in seine Studierkammer zurück, verschloß die Tür, stellte einen Tisch in die Mitte des Raumes, nahm eine große Zahl von Wachskerzen, die er auf dem Tisch platzierte und fügte in die Mitte ein Kruzifix. Dann fiel er auf die Knie und begann inständig zu beten und den Geist zu beschwören. Ströme von Schweiß flossen an ihm herab.

Bis gegen Mitternacht wachte er im beharrlichen Gebet in der Studierstube. Kaum war der letzte mitternächtliche Glockenschlag verklungen, als am Hintereingang des Pfarrhofes ein Scharren und Stoßen wie mit Hufen zu vernehmen war. Geschwind stieg der Pfarrer die Stufen herab. Er näherte sich sich der Tür und sah schon, wie sich der inbrünstig beschworene Geist des Laurentiusberges durch das enge Schlüsselloch zu zwängen suchte. Schnell ergriff der Pastor eine dunkle bauchige Flasche und drückte sie gegen das Schlüsselloch. Allerhöchste Zeit war es, denn kaum hatte das Glas das Schloß berührt, da war der Geist hindurchgeschlüpft. Unversehens saß der Berggeist in der Flasche gefangen! Geschwind versah der "Här" mit einem neuen Korken die Flaschenmündung. Zur Sicherheit goß er noch eine Wachsplombe darüber. Doch damit nicht genug. Um ganz sicher zu gehen, hob er noch in der Nacht im Pfarrgarten ein tiefes Loch aus. Dort hinein versenkte er die Flasche samt Inhalt.

Der Berggeist des Laurentiusberges war nun ein Gartenflaschengeist im Pfarrgarten. Seither war niemand mehr von einem dreibeinigen hammelartigen Geist belästigt worden. Die Angst schwand, den Laurentiusberg zu überqueren. Nur manchmal, so erzählen manch Ältere, wenn das Obst in den Gärten herangereift ist, glauben ungeladene Besucher des Pfarrgartens den Schatten des Berggeistes vernehmen zu können, ganz schemenhaft zwar nur, aber wie hinter einem dunklen Glas.

Nacherzählt von Christoph Schmitt

Moadelenchen

Manche Schicksale prägen sich besonders tief in die Erinnerung ein, auch wenn der Lauf der Dinge die individuellen Züge nach und nach verwischt. So verhält es sich auch mit der tragischen Geschichte einer Frau namens Moadelenchen, die man sich einst beim Spinnen oder beim Weidenmachen erzählte.

Das Ereignis, an das die Erzählung erinnert, geschah zu einer Zeit, als der Trierer Bischof noch das kurfürstliche Szepter über den Moselraum ausstreckte. Wer sich dem Dörfchen Trittenheim näherte, der entdeckte dessen Dächer zwischen zahlreichen Obstbäumen.

In jener Zeit lebte eine in die Jahre gekommene unverheiratete Frau. Im Dorf hatte man für solche Frauen den Begriff Juffer. Magdalena war sie getauft worden, aber im Dorf kannte man sie nur als "dat Moadelenchen". Ein kleines Eckhaus an einer der wenigen Dorfstraßen gehörte ihr. Das Haus drängte sich an die alte Kreuzgasse, doch wer es heute suchen will, findet es nicht mehr. Denn längst liegt kein Stein mehr auf dem anderen.

Seit ihrer Geburt hatte sie dort gelebt. Lange Zeit lebte sie mit ihren Eltern unter dem schief gewordenen Dach. Doch als diese ihre Augen endgültig schlossen, blieb sie für sich allein. Das Leben schenkte ihr nichts. Vielmehr zehrte das Leben noch an dem wenigen, was sie besaß. Sie ertrug es mit einer Geduld, die im ganzen Dorf bewundert wurde. Fragte jemand "dat Moadelenchen" um Hilfe, dann war sie immer bereit, Hilfe zu leisten. Vielleicht tat sie das alles und ertrug ihr Schicksal, weil sie täglich an den Leidensbildern der Pestkreuze vorbeikam.

Als sie noch jung war, da war sie ein lebensfrohes Mädchen. Und sie war schön und attraktive. Manch junger Bursche aus dem Dorf selbst oder aus den umliegenden Dörfern hatten um sie geworben. Einem unter den Dorfburschen war sie dann so zugetan gewesen, dass ihr größter Wunsch war, ihn zu heiraten. Nur noch kurze Zeit trennte die beiden vom gemeinsamen Leben. Doch das Schicksal traf sie unbarmherzig. Beim Holzmachen im Trittenheimer Wald stürzte der Bräutigam so unglücklich, dass der von ihm gefällte Baum ihn zu Tode brachte.

Lange trauerte Magdalena um ihren Liebsten. Doch ihre Lebensfreude kam nicht wieder, dafür wuchs aus der Trauer um den Verlorenen tiefe Verbitterung. So schwur das junge Moadelenchen, nie wieder einem anderen ihr ewiges Jawort geben zu wollen. Sie blieb allein. Sie versorgte mit den Eltern Haus, Hof, die wenigen Felder und Weinberge. Schließlich sorgte sie sich um die gebrechlich gewordenen Eltern. Als die auf dem Friedhof ihre letzte Ruhe gefunden hatten, blieb Moadelenchen allein zurück. Nur das kleine Häuschen, ein Hausgarten und ein wenig Kleinvieh blieben ihr.

Sie war ja kein Einzelkind gewesen, sondern hatte zwei ältere Brüder, den Hannes und den Niklas. Die waren längst verheiratet gewesen. Und diese hatten es verstanden, sämtliche Felder, Äcker und Weinberge sich als Erbteil unter den Nagel zu reißen. Mem Moadelenchen blieb nichts als ihr altes Häuschen. Und damit sie überhaupt leben konnte, verdingte sie sich im Dorf bei den Bauern und Winzern. Sie arbeitete mit in den Weinbergen, half bei den Feldarbeiten, in den Häusern bei der Schlachtung. Entlohnt wurde das Moadelenchen meist mit dem, was die Natur hervorbrachte. Mit dem, was die Ziege, Hühner und die Früchte ihres Gärtchens hervorbrachten, konnte sie so leidlich ihr Leben bestreiten.

Öfters konnte sie sich aber auch bei den Wirtschaftshöfen der auswärtigen Grundherrschaften verdingen. In den Weinbergen des Novitiatshofes der Trierer Jesuiten war sie ebenso zu finden wie im Mattheiser Hof. Die auswärtigen Gutsherren zahlten ihre Arbeit nicht nur mit Naturalien, sondern entlohnten auch mit dem einen oder anderen Albus. Da Moadelenchen äußerst sparsam, ja gegenüber sich selbst fast geizig lebte, sammelten sich die Albus zu manchem Gulden. Sie dachte dabei an ihr Altwerden und daran, dass sie nicht von ihren Brüdern abhängig sein wollte. Zu tief saß die Verbitterung, dass Hannes und Niklas sie beim Erbe betrogen hatten. Ihren Altersschatz bewahrte sie in einer hölzernen Schatulle auf, die ihr die Mutter vor langer Zeit anvertraut hatte. Kleinere Beträge verlieh sie an Leute aus dem Dorf, die knapp bei Kasse waren. Das übrigen versteckte sie aus Angst, in den unsicheren Zeiten durch Diebstahl um ihr weniges Hab und Gut gebracht zu werden, mit der Schatulle in einem ausgehöhlten Balken des Daches.

Die beiden Brüder führten mit den ererbten und unrechtmäßig erworbenen Feldern, Wiesen und Weinbergen über Jahre ein gutes Leben. Sie hatten hatten auch keine schlechte Partie beim Heiraten gemacht.  Dennoch zerrann im Laufe der schlechten Jahre auch ihr Besitz wie Sand zwischen Händen. Fremde Heere kamen und gingen und manch ein Dörfler geriet in Not und lebte in ärmlichsten Verhältnissen. Die Nachricht, man könne weit im Osten, bei den Ungarn ein besseres Leben beginnen, fiel in offene Ohren. Angesichts der Not fiel der Entschluss recht schnell. Auch wenn man sich nicht viel vorstellen konnten, wohin es ging, die Hoffnung auf ein besseres Leben war stark genug, alles zu verlassen. Was an Besitz noch da war und nicht mit genommen werden konnte, das wurde nach der Ernte verkauft. Auch Hannes und Niklas taten diesen Schritt. Doch der Verkauf brachte nicht den erhofften Erlös. Da fehlt noch manch ein Gulden, um sich nach dem Winter mit dem Nötigsten auf den weiten Weg nach Ungarn zu. machen.

Auch in der Vergangenheit hatten sie von ihrer Schwester kleinere Summen leihen können. Nun glaubten sie, Moadelenchen werde sie nicht im Stich lassen. Sie würden aber um eine größere Summe bitten müssen und wollten der Schwester versprechen, es ihr aus Ungarn über einen Boten zu erstatten. Das Moadelenchen wollte nichts leihen. Zu groß war die Angst, keinen Heller mehr zu sehen. Schon in der Vergangenheit hatte sie manchmal alles zurück erhalten. Jetzt wollte sie aber kein Risiko mehr eingehen. Da war doch alles verkauft, was die Brüder besessen hatten. Was könnte noch als Pfand dienen?

Moadelenchen half eigentlich allen Notleidenden, jetzt blieb sie bei ihren Brüdern aber hart. Ja, sie warf ihnen vor, sie hätten doch schon alles von den Eltern an sich gerissen und sie mit kaum etwas zum leben stehen lassen. Nein, solange sie lebe, habe sie ihren Brüdern nichts mehr zu verschenken. Sie sollten sich um sich selbst kümmern und bräuchten sich nicht weiter zu bemühen.

Wütend und fluchend kehrten Hannes und Niklas unverrichteter Dinge zu ihren Häusern in die Nardengasse zurück. Bis sie gleich nach dem Winter abreisen konnten, hatten sie mit dem neuen Besitzer ausgehandelt, noch im verkauften Haus bleiben zu können. Und jetzt? Was sollten sie zu tun? Alles war verkauft, der Wegzug war nicht mehr rückgängig zu machen. Gab es einen anderen Ausweg, an das Geld der Schwester zu kommen?  Je länger sie sich ratlos bleibend ihre Gedanken hin und her schickten, um so mehr entbrannte ihnen die Gier nach den Gulden der Schwester. Und dann war der Winter mit Frost und Schnee da. Der Aufbruch rückte näher und näher. Hannes und Niklas saßen, wie so oft, am Feuer des offenen Herdes in der Stube. Je ergebnisloser ihr Beratschlagen blieb, um so mehr füllte der Branntweingeist die Köpfe. Hannes begann immer wieder zu schimpfen, "dat Moadelenchen as een ganz geizig Luder" und Niklas stimmte ihm mit bei und schrie, "un wenn et ues net freiwellich helft, dann mejssen mir ues selwer helfen".

Wie sollte diese Selbsthilfe aussehen? Vom Geld des Moadelenchen wusste man. Nur wo sie es versteckt hatte, davon hatten beide keine Ahnung. Man müsste wohl das ganze Haus vom Keller bis zum Dach durchsuchen. Das wäre nicht so einfach zu machen, wenn die Schwester im Haus sei. Zu befürchten war auch, ihre Schwester würden sie dabei überraschen und sie vor das Schöffengericht zerren. Mit den sieben Schöffen der Matheiser, den sieben Bischöflichen und den vierzehn Manderscheider Schöffen wollte man aber nichts zutun haben, Denn die Meinung über das Moadelenchen war im  Dorf zu gut, besser als ihr eigener Ruf. Böser Rat war hier teuer. Notgedrungen warteten beide auf eine Gelegenheit, um unbemerkt ins Haus zu schleichen. Am besten wäre es, wenn die Schwester irgendwo im Dorf half. Wenn sie später bemerken sollte, dass das Geld weg war, könnte man noch immer den Verdacht auf umher ziehende Söldner lenken, die ja für ihr Motto, der Krieg nährt den Krieg, bekannt waren.

Nun sollte es aber doch nicht so schnell gehen, wie Hannes und Niklas glaubten. Und mit dem Christtag rückte auch das Jahresende näher. Es war Heilig Abend geworden. Der Frost schlug über Tage das Land in seinen Bann. Die Wolken ließen Unmengen aus ihren Schneescheunen fallen. Moadelenchen hatte sich bei aller Bescheidenheit doch auf die Feiertage vorbereitet. Sauber hatte sie alles gemacht und für die Festtage das Essen soweit hergerichtet, dass sie an allen Gottesdiensten teilnehmen konnte. Wenn sie nach der Christmette nachts nachhause käme, brauchte sie sich nur mit wenig Aufwand an den Tisch zu setzen. Weihnachten war für sie ein wichtiges Fest. Dafür hatte sie sogar auf einen Braten hin gespart. Dazu gab es Wintergemüse und selbst gemachte Nudeln.

An diesem Weihnachtsfest waren es fast zwei Jahrzehnte her, dass die Eltern das Zeitliche gesegnet hatten. Dem Pfarrer hatte das Moadelenchen daher versprochen, sie wolle für die Messen nach Weihnachten eine besondere Messe für die Eltern stiften. Das Geld wollte von den noch ausstehenden Rückzahlungen ihrer Brüder nehmen. Am frühen Nachmittag des Heiligen Abends machte sie sich auf den Weg in die Nardengasse zu Hannes und Niklas. Zum wiederholten Male wollte sie das Geliehene zurück fordern, dieses Mal ganz nachdrücklich, weil sie ja wusste, ihre Brüder würden bald wegziehen. Sie wollte ihnen auch ein schlechtes Gewissen machen, denn das Geld sa ja für eine Messe für die Eltern. Zuerst glaubten die Brüder, die Schwester wolle ihnen das erbetene Geld doch noch bringen. Als sie aber erfuhren, dass die Schwester noch nicht wieder zurück bezahltes einforderte, da trieb es ihnen den Zorn in Mund und Hände. Lautstark erklärten sie dem Moadelenchen, was ihr einfalle, sie am Heiligabend zu belästigen. Außerdem  hätten das Geld nicht im Haus und könnten es ihr nicht geben. Das Moadelenchen aber gab nicht nach und drohte schließlich, das dörfliche Gericht anzurufen Weil Hannes und Niklas sie aber loswerden wollten, versprachen sie ihr, sie wollten ihr, der geldgierigen Schwester, vor der Christmette alles vorbeibringen, damit sie endlich ihre Ruhe hätten.

Als Moadelenchen nach Hause kam, bereitete sie alles für den Besuch der Christmette vor. Dann setzte sie sich an den Herd in ihrer Stube und wartete. Sie glaubte nicht recht, dass die Brüder kommen würden. Die Dunkelheit hatte sich schon über das Dorf gelegt. Schicht um Schicht wurde das Land mit einem glänzenden Weiß überzogen. Gerade begannen die Glocken zum ersten Mal zur Christmette in der alten Clemenskirche zu rufen. Jung und Alt machten sich auf den Weg zur Feier der Christnacht. Auch Moadelenchen zog sich gerade an, um nicht zu spät zu kommen. Da klopfte es an die Tür des kleinen Hauses an der Kreuzgasse. Nach dem Öffnen der Tür traten zwei schneebedeckte Männer aus dem Dunkel in die schwach erleuchtete niedrige Stube. Es gab laute Worte und ... was dann geschah, könnten nur die Steine des Hauses erzählen, ruhten sie noch Stein auf Stein.

In der Jungfrauen-Bank der Clemenskirche blieb in dieser Christnacht ein Platz frei. Und jeder wußte wer fehlte: dat Moadelenchen. War sie vielleicht krank geworden? Auch bei der Frühmesse und im Hochamt vermisste man auf der Frauenseite des Moadelenchens Stimme beim Gebet und Gesang. Einige besorgte Frauen aus Nachbarschaft ging gleich nach dem Hochamt zu Moadelenchens Haus. Die Haustür war nicht abgeschlossen. In der Stube lag kalter Rauch über dem wenigen Mobiliar. Man rief nach dem Moadelenchen, ging in alle Zimmer, suchte vom Keller bis zum Dach. Niemand antwortete. Im Ofen fand man den abgekühlten, unberührten Braten. Das Gemüse und die Nudeln standen in ihren Töpfen. Niemand war da. Das schneebedeckte Gärtchen zeigte keine Spuren. Und weil es soviel geschneit hatte, waren auch sonst keine Spuren von Moadelenchen zu finden. Wohin sollte das Moadelenchen gegangen sein? Und das bei dem rauen Wetter?

Die Nachbarinnen eilten zu den Brüdern des Moadelenchen, unterwegs den ihnen begegnenden von ihrer Suche erzählend. Ihre Frage nach dem Verbleib der Schwester blieb von den Brüdern unbeantwortet. Sie könnten keine Auskunft geben, versprachen aber, mit den Leuten im Dorf nach dem Moadelenchen zu suchen. Mehrere Tage lang wurde Moadelenschen gesucht. Die Frauen suchten im Dorf, die Männer schauten entlang der Mosel nach dem Verbleib und auf der Gemarkung. Alles Suchen blieb ohne Erfolg. Bald hieß es, "nejst bleiwt am Schnie verborjen als dat Moadelenchen".

Tage und Wochen gingen ins Land. Da grüßten die ersten Boten des Frühjahrs und Hannes und Niklas traten mit ihren Familien die große Reise ins Land der Ungarn an. Dort wollten sie ihr Glück suchen. Als ihr Gespann über den Hinkelweg im Horizont den Augen entschwand, da waren die letzten ihres Namens aus dem Dorf gegangen. Das Häuschen an der Kreuzgasse blieb verwaist. Anfangs hoffte man still, das Moadelenchen komme vielleicht noch zurück. Nach und nach verfiel das Häuschen und damit auch die Hoffnung, über Moadelenchens Verbleib etwas zu erfahren. Dann kam der Tag, als sich die Schöffen entschlossen, das Haus und den Grund einer aus der Fremde zugewanderten Familie zu überlassen. Voll Freude begannen diese, Haus und Garten herzurichten. Beim Vertiefen des Kellers aber stieß man unter einem Weinfass nur wenige Ellen tief auf ein Skelett. Den älteren Trittenheimern dämmerte es nun, was wohl an jener Weihnacht vor vielen Jahren geschehen war.

Von den Brüdern Hannes und Niklas verlor sich jegliche Spur. Jahre später, als zufällig ein Kolonist aus Ungarn auf dem Weg in die alte Heimat Trittenheim streifte, da erfuhr das Dorf, dass weder Hannes noch Niklas am erhofften Ziel das Glück gefunden hätten. Dem einen habe samt Familie eine Seuche das Leben genommen. Der andere habe seine Familie verlassen und sei irgendwann als Straßenräuber elend zugrunde gegangen. Nur die Erinnerung an das Moadelenchen blieb.

Nach einer mündlichen Tradition erzählt von Christoph Schmitt

Zwei kurze Sagen

Nikolaus Hocker, in Neumagen geboren (*22.03.1822 † 21.12.1900, Köln) war Redakteur, Diplomat, Lyriker und Autor zahlreicher (regional-)geschichtlicher Werke. Er sammelte Sagen und Legenden und eine Auswahl veröffentlichte er in der "Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde" (hrsg. von J. W. Wolf, Bd. 1
Göttingen 1853, S. 189-195).

Als Handlungsort taucht dort Trittenheim in zwei Sagen auf:

"DER KÖNIG IM BERGE.
In der Königskaul auf der Bergkron nahe bei Trittenheim, die daher den Namen hat, daß dort ein Kaiser gekrönt worden, ist ein deutscher König mit seinem Heere versunken. Er sitzt in der Tiefe an einem Tisch von rothem Sandstein und schläft. Wenn sein Bart dreimal um den Tisch gewachsen ist, dann steht er mit dem Heere wieder auf, kommt bei Neumagen am Zweibäcker Hof wieder heraus, und schlägt die Türken. Ist dieses geschehen, so wird der Antichrist kommen und die Welt geht unter."

Die Sage lebt vom sog. Kyffhäuser-Motiv, das vielfach verwandt wird.

"DIE PEST.
In Trittenheim hatte ein Mann die Pest als ein blaues Flämmchen in einen Balken eingesperrt; als dies wieder herauskam, starben die Leute bis auf sieben Haushaltungen, andere sagen, sie sei ein blaues Flämmchen, welches den gähnenden Menschen durch den Mund in den Leib und durch die Nase herausgehe, aber ihn tödtet und nun in einen andern Menschen geht. Darum macht man beim Gähnen über dem Munde ein Kreuz."

Die Sage mag eine Erinnerung an lokale Ereignisse haben und wird in Trittenheim auch in Beziehung zu den sog. Pestkreuzen gebracht. Auch dort wird erzählt, dass nur sieben Familien überlebt haben sollen. Diese Siebenzahl von Überlebenden findet sich häufiger und sie ist daher weniger eine historisch belegbare Zahl als vielmehr als Symbolzahl zu verstehen.

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